Cover-Versionen in der Musik sind eine zweischneidige Sache. Viel zu oft ziehen sich Musiker an der Arbeit erfolgreicher Kollegen hoch. Spielen ein bekanntes Lied ein das mehr oder weniger automatisch zum Ohrwurm wird weil jeder — bewusst oder unbewusst — das Original kennt.
Ich erinnere mich dass ich 2002 vor dem Regal mit den Charts-Singles stand und ich — trotz eines ziemlich ausgeprägten Desinteresses für Charts — mehr als die Hälfte der Top10 kannte. Aus den 70ern oder 80ern, von den originalen Interpreten. Auf Platz 1 war zu der Zeit Scooter mit einer echt billigen Variante von Nessaja (Peter Maffay, Tabaluga).
Ungefähr zur gleichen Zeit hatte irgendein Pop-Sternchen bemerkenswerten Erfolg mit einem Stück namens „How It’s Got To Be“. Das hat mich ziemlich genervt weil ich ums Verrecken nicht drauf gekommen bin von wem die geklaut hatte. Es hat wirklich Stunden gedauert bis ich drauf gekommen bin: der gute Teil kommt aus Schwanensee von Tschaikowski — ebenfalls 70er, aber ein anderes Jahrhundert.
Aber ich schweife ab.
Cover sind nicht immer schlecht. Viele — beispielsweise die der slowenischen Band Laibach — sind zumindest bemerkenswert.
Von Zeit zu Zeit schafft es tatsächlich ein Musiker, ein mittelmässiges Stück ernsthaft besser zu covern als das Original. Es gibt auch eine Reihe von Beispielen bei denen das Cover eines an sich schon guten Stückes dem Original ebenbürtig ist. Und äußerst selten schafft es jemand, ein ohnehin schon gutes Stück wirklich durch ein Cover zu verbessern.
Direkt mehrfach ist das Johnny Cash gelungen. Ich mag beispielsweise Mercy Seat von Nick Cave, und auch Hurt von Nine Inch Nails ist wirklich ein großartiges Stück Musik. In beiden Fällen lässt einem das Cash-Cover den Mund aufstehen. Weit.
Gestern haben wir uns den Spaß gemacht, mal die vier Platten durchzukämmen die noch zu Lebzeiten Cashs aus der Zusammenarbeit mit Rick Rubin veröffentlicht wurden, die sogenannten American Recordings:
- American Recordings (1994)
- Unchained (1996)
- American III: Solitary Man (2000)
- American IV: The Man Comes Around (2002)
Geschätzte zwei Drittel der Stücke sind Cover. Das mal durchzugehen bringt echt Erkenntnis, und ich kann das nur jedem empfehlen der die Platten mag. Auf den Wikipedia-Seiten steht jeweils von wem die Originale sind, und Youtube zeigt einem dann wie es sich anhört.
Die üblichen — durchaus hörenswerten — Verdächtigen waren klar. Hurt und Mercy Seat hatte ich ja schon erwähnt. Dass Solitary Man von Neil Diamond ist wusste ich auch, und jeder kennt die Originale von One (U2), Bridge Over Troubled Water (Simon & Garfunkel), Personal Jesus (Depeche Mode) oder In My Life (Beatles).
Dass aber zum Beispiel Thirteen original von Glenn Danzig (!!) ist war mir nicht bewusst. Ein Danzig-Stück direkt neben Redemption. Nicht schlecht.
Bei Southern Accents hätte ich Wetten darauf abgeschlossen dass das ein Cash-Original ist — nicht von Tom Petty. Genauso hätte ich I See A Darkness nicht für ein Cover gehalten (das Original klingt übrigens auch verlockend). Dass I Hung My Head nicht von Cash ist dachte ich mir schon, aber auf Sting wäre ich nicht gekommen.
Wie gesagt: jedem der die Platten mag (ich weiss nicht wie oft ich die in den letzten zehn Jahren gehört habe) empfehle ich, die Listen mal durchzugehen. Da sind echte Perlen bei.
wow, you got me nerdsniped. Hurt ist *im Original* von NiN!?! Ich kenne beide Versionen, bin aber immer davon ausgegangen, dass es andersrum war. Shit, da muss ich jede Menge Kram überprüfen :)
Danke für die konkrete Auflistung! Von den Coverversion wusste ich schon eine geraume Zeit und sie haben mir auch *sehr* gefallen. Ich hatte allerdings mir nie die mühe gemacht hier genauer zu Recherchieren. Meine Amazon Wunschliste ist nun wieder um 4 Dinge länger